"Unternehmen erkennen zunehmend, dass sie den bevorstehenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel nur dann meistern können, wenn sie sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren, die mehr zu bieten haben als eine leistungsorientierte Vergütung." 
Die Rede des IHK-Präsidenten beim Jahresendempfang 2007 im Wortlaut:


Meine Damen und Herren,
Ich begrüße Sie alle, auch im Namen meines Präsidentenkollegen des Arbeitgeberverbandes, Herrn Ludwig Henkes, sehr herzlich zum Jahresendempfang 2007 der Industrie- und Handelskammer und des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Eupen-Malmedy-St. Vith.

Leider musste unser Gastreferent, Herr Didier Reynders, Vize-Premier Minister und Minister der Finanzen, kurzfristig wegen eines dringenden Termins beim Staatspräsidenten der französischen Republik, Nicolas Sarkozy,  absagen.  Herr Reynders hatte also die Wahl zwischen Eupen und Paris und hat sich zu unserem Bedauern für die französische Hauptstadt entschieden.   Sein Sekretariat hat aber dafür Sorge getragen, einen ebenso kompetenten Ersatzreferenten zu finden.  Ich habe daher die Ehre und Freude, als Gastredner des heutigen Tages, Herrn Charles Michel, zu begrüßen.  Herr Michel ist Föderalabgeordneter, Bürgermeister der Gemeinde Wavre und Sprecher der liberalen Partei MR und in diesen Funktionen direkt in den Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung einbezogen. 

Monsieur Michel, je vous souhaite la bienvenue ce soir à Eupen.  C’est un honneur pour nous que vous participez à cette réunion et que vous allez, dans quelques instants, prononcer un discours sur l’actualité politique belge et les implications possibles sur la Communauté germanophone. 


Meine Damen und Herren,
Ich heiße herzlich willkommen Herrn Parlamentspräsident Siquet, Herrn Ministerpräsident Lambertz, Herrn Minister Gentges, Frau Kammerabgeordnete Jadin sowie Herrn Senator Collas.  Ich begrüße die Repräsentanten des Parlaments und des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Provinz Lüttich und der ostbelgischen Gemeinden sowie die Repräsentanten aus den diplomatischen und konsularischen Kreisen, von Kirchen, Behörden, Verwaltungen, Schulen, Parteien, Gewerkschaften und Organisationen sowie die Vertreter der Presse.
Ich begrüße den Ehrenpräsidenten der IHK, Chevalier Alfred Bourseaux.  Ich freue mich ebenfalls über die Anwesenheit von Herrn Dieter Philipp, Präsident der Handwerkskammer Aachen und Herrn Jürgen Drewes, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen.
Ich begrüße, stellvertretend für alle Teilnehmer unseres diesjährigen Sponsors, der ING Bank, die Herren Gustin, Vangramberen, Scholzen, Palm und Croé.  Vielen Dank für ihre Unterstützung!
Besonders willkommen heiße ich die Repräsentanten unserer Mitgliedsfirmen.


Meine Damen und Herren,

die internationale Konjunktur dürfte nach den kräftigen Zuwächsen der letzten Quartale zum Jahre-sende und zu Beginn 2008 an Schwung verlieren.  Am Horizont haben sich mehrere Risiken zusammengebraut: die Turbulenzen an den Finanzmärkten infolge der US-Hypothekenkrise hat die Wirtschaft zwar bislang gut überstanden, aber die Abschwächung der US-Wirtschaft wird sich auch auf Europa auswirken.  Der starke Euro belastet die Exporteure und der steile Anstieg des Ölpreises zieht den Konsumenten das Geld aus der Tasche.

La Belgique a connu en 2007 une activité économique plus intense que le reste de la zone Euro.  Dans ces conditions, l’économie belge devrait poursuivre sur sa lancée de 2006 et boucler l’année 2007 avec une croissance de 2,7 %.  Par contre, en 2008, à l’instar des autres pays européens, faute d’une consommation privée suffisamment dynamique pour relayer des exportations, elles-mêmes frappées par le fléchissement de la demande mondiale et l’appréciation de l’Euro, la croissance devrait s’établir à 1,8 %.   

Die IHK wird in Kürze mit ihrer jährlichen Konjunkturumfrage die ostbelgische Situation 2007 und die Wirtschaftstrends 2008 erfragen.  Alle unsere Mitgliedsfirmen sind bereits heute aufgerufen, sich an dieser Umfrage zu beteiligen.  Die Resultate werden alsdann in der lokalen Presse veröffentlicht werden.


Meine Damen und Herren,
Vor einigen Tagen war im Grenz-Echo zu lesen: “Neuer Rekord bei den Lehrlingen”.  Allein in 2007 sind 326 Jugendliche neu in die Lehre gegangen.  Damit werden derzeit rund 750 Jungen und Mädchen ausgebildet.  Das Geschlechterverhältnis bleibt aber ungleich: nur 27 % der neuen Auszubild-enden sind weiblich.  Zeitgleich ist aber festzustellen, dass die Zahl der Schüler in der DG um 180 auf knapp 13.900 gesunken ist. 
Die Lehrlinge und Schüler von heute sind die Fachkräfte von morgen.

Und die Wirtschaft in Ostbelgien, wie auch anderorts, sucht händeringend nach Fachkräften.  Der Fachkräftemangel nimmt bedrohliche Züge an.  Der volkswirtschaftliche Schaden ist bedeutend.  Der Wertschöpfungsverzicht in vielen boomenden Branchen infolge der Nichtbesetzung von offenen Stellen ist Fakt. 

Bei einer Arbeitslosigkeit von 7,0 % und unter Berücksichtigung, dass insbesondere im Sankt Vither Raum z.B. die Männerarbeitslosigkeit bei 2,6 % liegt, wirft Fragen der zukünftigen Weiterentwicklungsmöglichkeiten unserer Betriebe auf.  Die gute wirtschaftliche Lage in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die besonderen sprachlichen Anforderungen an die Mitarbeiter infolge des hohen Exportgrades sowie die Nähe zu den ausländischen Arbeitsmärkten führen zu dieser angespannten Situation auf dem hiesigen Arbeitsmarkt.  Diese prekäre Situation des Arbeitsmarktes wird sich in unseren Augen dabei noch weiter verschärfen. Der demographische Wandel rollt langsam, aber sicher auf die Betriebe zu.  Ein steigender Anteil der sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter sind inzwischen über 50 Jahre alt, und ihr Anteil wird weiter steigen. 

Für viele Betriebe stellt sich die Frage, wie sie mit ihren alternden Belegschaften leistungs- und wettbewerbsfähig bleiben können.  Denn der technische Fortschritt verlangt, dass sich Wissen und Können der Mitarbeiter immer schneller anpassen.  Die Unternehmen sind herausgefordert, neue personalpolitische Antworten zu geben, etwa indem sie die Kompetenzen Älterer fördern und mit dem frischen Wissen Jüngerer verbinden. 
Unternehmen erkennen zunehmend, dass sie den bevorstehenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel nur dann meistern können, wenn sie sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren, die mehr zu bieten haben als eine leistungsorientierte Vergütung.  Familienfreundlichkeit ist für sie zu einem neuen Standortfaktor geworden.  Viele junge Frauen können wegen familiärer Pflichten nicht arbeiten, und dies ist sehr bedauerlich, da die Mädchen und Frauen gegenüber den männlichen Jugendlichen und Erwachsenen sehr stark bei Ausbildung und Studium aufgeholt haben.  Da ist es eine ökonomische Verschwendung, erst in ihre Qualifizierung zu investieren, ihnen dann aber nur unzureichende Rah-menbedingungen für beides - Erwerbs- und Familienarbeit - zu schaffen.  Höhere Arbeitszeitflexibilisierung sowie öffentlich und betrieblich unterstützte Kinderbetreuung sind gute Möglichkeiten, den Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. 
Weitere Ansätze, dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern sind die verstärkte betriebliche Weiter-bildung, die Förderung einer stärkeren Frauenpräsenz in den technischen Berufen und die Zuwan-derung auswärtiger Personen.  

Meine Damen und Herren,
neben dieser zentralen Frage, wie die Beschäftigung in den nächsten Jahren in den Betrieben qualitativ und quantitativ aufrecht erhalten werden kann, sind weitere 6 Themen für die hiesige Betrieb-swelt von Bedeutung. 

En plus de la pénurie croissante d'employés et de main-d'oeuvre qualifiée qui devient une menace croissante pour le développement de nos entreprises, 6 thèmes préocuppent actuellement le monde économique. 

Hierzu einige kurze Anmerkungen:
1. Die Ausbildung unserer Kinder - la formation des jeunes: Die Resultate der vor wenigen Tagen veröffentlichten Pisa-Studie sind für unsere Gemeinschaft positiv. Wir plädieren weiterhin für die Festigung einer vertieften allgemeinen Bildung mit einem gemeinsamen Grundbestand an Kenntnissen und Fähigkeiten.  Die Schaffung einer breiten und höheren Allgemeinbildung ist eine wichtige Grundlage bei der späteren Studienwahl oder beim Berufseinstieg und schafft somit eine aus-reichende Breite in der schulischen und beruflichen Einsetzbarkeit.  Gute Sprachkenntnisse haben, gerade vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, eine hohe Priorität.  Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Französischkenntnnisse unserer Schüler weiterhin auf einem hohen Niveau gehalten werden, eine der wesentlichen Trumpfkarten des ostbelgischen Standortes;

2. Forschung und Entwicklung - la recherche et l’innovation: es müssen noch mehr Anstrengungen von Seiten der öffentlichen Hand und der Betriebe erfolgen, marktorientierte Forschung und Entwicklung voranzutreiben mit dem Ziel, wachstumsstarke und innovative Sektoren zu entwickeln und auszubauen um zur Zukunftssicherung des Standortes beizutragen;

3. Entwicklung der Arbeitskosten - l’évolution des frais de main d’oeuvre dans un contexte international: Belgien ist in puncto Arbeitskosten einer der teuersten Standorte weltweit.  Dieser Kosten-nachteil muss kleiner werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Wirtschaft nicht weiter zu schwächen;

4. Die Zurverfügungstellung genügender Gewerbeflächen und die damit verbundene Infrastruktur im Bereich Verkehr und Kommunikation - les surfaces d’activités économiques et l’infrastructure: Die z.Z. geführte Diskussion über die gewünschte Übertragung der Raumordnungszuständigkeit von der Wallonischen Region an die Deutschsprachigen Gemeinschaft kann sicherlich zu einem Mehrwert für unsere Gemeinschaft werden.  Hierzu einige Worte gleich von meinem Präsidentenkollegen des Arbeitgeberverbandes;

5. Energieeffizienz und Klimaschutz - l’efficience énergétique et la protection climatique: Hier müssen alle mitmachen.  Dies gibt es aber nicht zum Nulltarif.  Jede Investition, die den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß reduziert, kostet erstmals Geld, zahlt sich aber zukünftig nach un-ternehmerischen und gesellschaftlichen Maßstäben aus.  Das Bewusstsein in den Betrieben, die Energieeffizienz zu steigern,  ist verstärkt vorhanden.

6. Politische Stabilität - la stabilité politique: politische Unsicherheit belastet die Wirtschaft und führt dazu, dass wirtschaftliche Entscheidungen verspätet oder sogar nicht getroffen werden.  Wie betrachten z.B. ausländische Investoren zur Zeit unser Land ?  Welche Wirtschaftspolitik wird die neue Föderalregierung zukünftig praktizieren ?  Welche politischen Zuständigkeiten mit wirtschaftli-cher Implikation werden morgen an die Regionen und Gemeinschaften übertragen ?      

Meine Damen und Herren,
diese letzten Fragen leiten direkt über zu unserem heutigen Gastredner. 

Monsieur Michel,
vous avez bien voulu accepter, en remplacement de Monsieur Didier Reyn-ders, d'être le conférencier de la réception de fin d'année et je vous en remercie.  Nous apprécions à sa juste valeur votre présence auprès des entrepreneurs de l’Est de la Belgique et de la Communauté germanophone.  
La crise politique hypothèque l’économie du pays.  Le préjudice porté à l’image de la Belgique à l’étranger s’aggrave.  La stabilité politique comme la transparence sont décisives pour les entrepreneurs, en particulier pour les investisseurs étrangers.  Comment sortir de cette insécurité politique que peu de citoyens comprennent pleinement ? 
Il faut revenir à un dialogue communautaire serein et constructif.  Est-ce en-core possible ?  Quelles seraient les implications pour la Communauté germanophone, plûtot observateur qu’acteur durant cette période politique agi-tée, en fonction des possibles scénarios politiques  ?

Voici quelques questions que le monde économique, politique et civile en Communauté germanophone de Belgique se pose actuellement!
Avant de passer la parole à vous, permettez-moi de vous présenter de façon succincte à notre auditoire: 
Monsieur Michel est né en décembre 1975.  De formation, il est licencié en droit de l’ULB et de l’Universiteit Amsterdam.  Depuis 1998, il est inscrit comme avocat au barreau de Bruxelles.  Depuis plus de 10 ans, il fait de la politique.  Il a débuté comme conseiller provincial, puis il est devenu député fédéral et ensuite Ministre wallon des Affaires intérieures et de la Fonction publique. Il connaît donc très bien la Communauté germanophone.  Depuis décembre 2006, il est bourgmestre de Wavre.  En juin 2007, il a été réélu comme député fédéral.  Il est également le porte-parole du parti libéral MR.

Monsieur Michel, je vous passe volontiers la parole!

(Foto: Grenz-Echo)

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